UnvermeidBar?

Posted on April 28, 2024 by Kathi

Wir müssen über Saudi Arabien reden, dabei wollte ich das gar nicht. Im Gegenteil, ich wollte die ganze Debatte vergessen in Sheffield. Zuflucht suchen im Herzen des Snooker. In Deckung gehen hinter den Minisnookertischen zwischen Crucible und Wintergarten. Wo alle mal ein bisschen snookern, ihre Talentfreiheit enthüllen und Umstehende nach einem Minitischminibreak umarmen dürfen. Eine tolle Sache, diese kleinen Tischchen, die von den echten Tablefittern aufgebaut und ausgemessen wurden, als wären sie die Tische des WM-Finals. Sie ließen sich leicht hochheben und in einem Stück abtransportieren, aber sie gehören nach Sheffield.

Außerhalb der Snookerkernzone rund um das Crucible ist der Sport etwas weniger sichtbar als in den Jahren zuvor. Denn es ist alles WST-beiger geworden im Marketing, da siehst du die Wimpel an den Laternenpfosten natürlich nicht ganz so gut wie im alten Betfredblau. Gleichzeitig ist Snookersheffield lauter denn je – etwa bei der Standing Ovation aus vollstem Herzen vor der ersten Session. Es ist wunderbar, dass wir die Rob-Walker-Energie auf unserer Seite haben, auch wenn wir jetzt wirklich alle wissen, dass er Tom Ford angeblich ähnlich sieht. Aber auch die klaren Crucible-Liebeserklärungen von Spielern und Offiziellen sind besser hörbar geworden. Es ist zwar immer auch der Realismus-Disclaimer dabei, lauter ist dennoch die echte Verbundenheit mit diesem winzigen Theater in dieser mittelgroßen Stadt. Und verbunden mit dem Crucible fühlt man sich als Zuschauerin spätestens, wenn man vor der Session in den weichen Plüschsitzen Platz genommen hat und ohnehin fast nicht mehr hochkommt.

Und doch, als ich am Crucible Eve zum ersten Mal zum Hintereingang lief, um meinen Pressepass zu holen – das sollte ab 9 Uhr gehen, ging um 12 Uhr aber kaum, überrascht das jemanden? –, lief auf der großen Leinwand natürlich eine Snookerwiederholung. Natürlich mit Ronnie O’Sullivan. Natürlich ein Match aus Saudi Arabien. Der Snookerhimmel weinte. Dann, Media Day. Noch vor dem WM-Pokal werden Banner mit dem neuen Sponsor aus Saudi Arabien vor das Crucible getragen, damit man die gesetzten Spieler davor fotografieren kann. Die liegen dann schneller am Boden als Jackson Page in der ersten Runde – also die Banner, nicht die Spieler, die lehnten nur. Eben alles etwas windig, da fehlt die Substanz. Hauptsache, das Bild stimmt. So auch beim Century Club für die VIPs, auf dessen Plakat Neil Robertson ganz groß zu sehen ist. Das Geschehen auf dem Tisch als Nebensache.

In mir weckt diese große Werbeinitiative einen gewissen Kampfgeist, genau wie der Nichtmehrsnookerpräsident, der viel mehr redet als der Fatamorganapräsident und das immer öfter über Geld und Macht und immer seltener über Snooker. Ich feuere jeden Zuschauer an, der wieder einen Platz vollmacht im Crucible, und bin sauer über jeden einzelnen leeren Platz bei Carter gegen Maguire etwa. Bejubele jede Schiedsrichterin und Tatiana Woollaston wie seit jeher ganz besonders. Freue mich über BBC-Legende Hazel Irvine, die mit ihrer Aura die ganze Arena für sich einnimmt. Snooker braucht mehr Frauen und ganz sicher keine Frauenkompromisse im Kleingedruckten von seelenlosen Verträgen. Was auf dem Hochglanz-Top-16-Klassenfoto natürlich nicht zu sehen war: Es war eben windig, die Saudi-Arabien-Sponsor-Banner wären niemals von allein aufrecht stehengeblieben. Die Aushängeschilder der Snooker-WM wurden hochgehalten – von unsichtbaren Frauen im Hintergrund. Es sind und bleiben metaphorische Tage in Sheffield.

Kathi

P.S.: Aber ist das Crucible noch zu retten? Wie riecht es denn nun an den Trainingstischen? Das klären wir natürlich erst am großen Finalwochenende.