„Ja mei, du bist aber groß geworden!“ Mit diesen Worten kneifen wir aktuell dem Paul Hunter Classic in Fürth in die von der Sonne geröteten Bäckchen. Aus dem gemütlichen PTC hat sich ein total seriöses European Series Event entwickelt. Weniger Tische, mehr Lichteffekte. Aber keine Sorge, Jimmy White war trotzdem dabei. Und das Irish Pub gibt es auch noch. Die Atmosphäre passt also – und das schon seit Dienstagmorgen: Da spielte Graeme Dott als Stimmungsanheizer. Ergebnistechnisch eher so mittel erfolgreich, aber dafür im Entscheidungsframe überraschend schnell und gewohnt emotional. Da ging eine Safety daneben und plötzlich stand da Bat-Dott mit weit ausgebreiteten Armen / Flügeln. So schnell konntest du gar nicht gucken, so schnell hatte er sich da aufgebaut. Bereit, sich 120 Foulpunkte zu holen. Und er schwang sich in die Lüfte und sammelte alle 120. Gut, am Ende hat auch das nicht gereicht, aber das ignorieren wir kurz mal.
Was die Fans im Foyer wirklich nicht ignorieren können, ist der Trainingstisch, der dort einfach in einer Ecke platziert wurde. Sehr zur Verwunderung einiger Spieler – Marco Fu hatte kurzzeitig mehr Publikum als das Match am nächstgelegenen Tisch. Ja mei, da war halt noch Platz. Es ist irgendwie beruhigend, dass bei allen Abtrennungen zwischen den Tischen und bei aller Verdunkelung der alte Charme am Event kleben geblieben ist wie Gary Wilson mit seinen neuen Schuhen am Teppich. Auch erhalten geblieben ist uns Tisch 10 aus dem PHC. Genau, der ganz in der Ecke. Genau, der mit den fünf Plätzen zum Zuschauen. Genau, der Tisch für die ganz Harten, die Sitzfleisch für vier Stunden haben, weil sie vorher niemals rauskommen werden. Solche Traditionen werden hier hochgehalten – immerhin lieben es viele Spieler, dass sich in Fürth einfach nichts verändert hat, wie sie mir reihenweise mit großer Freude erzählen. Gut, bis auf die massive Bauruine direkt vor der Stadthalle im Ex-Innenhof. Ja mei!
Die Spieler haben sich zum Glück auch kaum verändert – bis auf ein paar weniger Haare bei den einen und ein paar mehr Kilos bei den anderen. Es herrscht auch hier noch eine unglaubliche Wiedersehensfreude auf allen Seiten und aus nächster Nähe. Wir können vielleicht nicht mehr fünf Tische gleichzeitig verfolgen. Aber die Plätze, die nur eine Armlänge vom Tisch entfernt sind, die gibt es weiterhin. Und die Wurstsemmeln. Und die Maximum-Versuche, Wu Yize hat die Tradition bisher hochgehalten. Und die, die immer da sind: Daniel Wells, Ricky Walden, Robert Milkins. Und die Hinweiszettelchen, die noch schnell aufgehängt wurden. Ja, hier ist Tisch zwei. Nein, Ronnie spielt nicht. Ja, Snooker in Fürth lohnt sich. Und jetzt muss ich los – David Grace aus 1,50m Entfernung bei der Arbeit zusehen, wie schon vor zehn Jahren.
Kathi