Ein Snookerturnier ist zum Glück auch immer ein Kuriositätenkabinett. Als am Dienstagabend am Tisch von Wells gegen Wilson am Frameende der Spielball mit Karacho vom Tisch geschossen wird, fällt das dort weder den Spielern noch der Schiedsrichterin auf. Vielleicht haben sie alle drei gerade eher darauf geachtet, wie Aaron Hill den Mark Williams mit der Wucht einer Machineseeker-Planierraupe in eine Niederlage hineinplättet. Vielleicht waren sie auch eher erleichtert, dass sie wieder einen Frame ihres eigenen Spiels überstanden hatten. Jedenfalls rollt der Spielball fröhlich durch die Arena, bis Noppon Saengkham ihn eben an seinem Tisch vorfindet. Noppon hebt ihn fröhlich-verwirrt auf, guckt sich freundlich-fragend um und merkt, dass weder Mark Williams noch Ricky Walden einen Ball vermissen. Der muss also von Gary Wilson stammen. Noppon bringt den Ball lächelnd-helfend nach Hause. Und wird von der Besetzung an Tisch 2 ignoriert, die weiter nichts von überhaupt nichts mitbekommt. Sehr zur Belustigung des Publikums natürlich, dem Noppons Heldentat am Nebentisch nicht verborgen bleibt.
Möglichst schnell verborgen werden sollte am ersten Turniertag die Fototapete im Presseraum. Die war nämlich noch vom letzten Jahr, falscher Sponsor, falsche Farben, falsches Flair. Weil Snookersponsoren sich in letzter Zeit so unglaublich viel Mühe machen, Turniere einzigartig und unverkennbar zu gestalten, ist das natürlich sofort überhaupt nicht aufgefallen, bis einer der Fotografen mit Kennerblick einen Spruch darüber machte. Während in Sachen Werbewand eher geschleppt wurde, musste zeitgleich filigran genäht werden. Zum Glück nicht der Tischbezug – dann würde sich Mark Allen gleich wieder über das Lieblingsturnier aller coolerem Spieler beschweren. Erinnert sich noch jemand an die PTC-Logo-Klebestreifen auf den Westen, die immer zum schlechtestmöglichen Zeitpunkt zum Beispiel mitten in einem Century abgefallen sind? Sowas ist Geschichte, also sollen die Westen der Spieler in der Players Lounge noch mit Logos benäht werden. Manche Spieler könnten das selber, andere … eher nicht. Also hilft das Snookerstars-Team aus – bis wenige Momente vor der Session wird im Akkord genäht und dann der zur Weste gehörige und grundsätzlich immer verschwundene Spieler gesucht.
Überhaupt löst das German Masters eine gewisse Modedebatte aus. Die Schiris sind ungleich schicker gekleidet als viele Spieler, vor allem wenn sie beim Lidl an der Kasse anstehen. Ich muss auch sagen, dass ein Bügeleisen der Players Lounge besser getan hätte als der neue Teppich. Modisches Highlight ist bisher sicher das Match Wilson – Wells, wo man auch lange Zeit hatte, die außergewöhnlichen Westen der beiden zu begutachten. Wirklich sehr lange. Die konnte man wirken lassen wie Ölgemälde. Ansonsten glitzert es bei Slessor auf der Weste, stachelt beim Weltmeister nach dem Frisuren-Reset auf dem Kopf, und langweilt bei fast allen anderen in neutralem Schwarz. Hoffentlich war das Thema beim geheimen Players Board Meeting mit Shaun Murphy, in das ich aus Versehen reingeplatzt bin.
Weniger gut verborgen findet Dienstagabend am Rande der Arena ein Ingenieurs-Meeting mit Paul Collier und diversen Helfern statt. Es geht um den TV-Tisch, schon wieder stimmt etwas an der Ausstattung nicht. Mark Williams’ Stuhl ist kaputt und quietscht. Reicht, wenn man das im Interval erledigt, meint Mark. Da stellt sich natürlich nur eine Frage: Wer saß da vor Mark Williams drin? Mark Allen war das bei seinem wenig applaudierten Erstrundensieg. Offenbar kann er allein mit seiner Tempodrom-Abneigung Möbel zerstören. Gut, dass ein bestens aufgelegter und mit einem schönen Rotton bewesteter Wu Yize am nächsten Tag dem Gemotze ein Ende bereitet.
Noch besser, dass Allens Auftritte jeweils komplett überstrahlt werden von Alex Ursenbacher, der sich zwei Siege im Tempodrom holt und im Jubel des Publikums badet, als wäre es schon das One-Table-Setup. Dafür sind wir hier, für die so gar nicht verborgene Freude über den besonderen Austragungsort in Berlin. Wo wir gemeinsam über Strandbilder im Livescoring schmunzeln, auf kleinen Tischen im Foyer unser Snookerglück versuchen und gemeinsam mit den Profis auf der Tribüne die nächste Session schauen.
Kathi