Live aus Berlin (4) – Abend mit Freund*innen

Posted on January 29, 2022 by Kathi

Es ist Freitag im Tempodrom. Du packst dir ein paar Kumpels ein, kaufst dir ein überteuertes Bier und guckst Snooker. Das haben sich auch Shaun Murphy und Mark Allen gedacht und sich spontan einen Tisch in der Arena gemietet. Bisschen chillen, bisschen spielen, paar Centuries und so. Und weil mehr Freunde immer besser sind, haben sie dem Livescoring einen Streich gespielt und sich so den Eckardt Marcel dazugeholt. Bisschen schäkern, bisschen scoren, ruhige Kugel schieben eben. Entspannter kann man so ein Achtelfinale beim German Masters gar nicht angehen. Zunächst zumindest. Denn als sich zunehmend herausstellte, dass Mark Allen doch der Coolere der beiden war, wurde Shaun fast etwas neidisch und bedeutend leiser. Andere tunen ihr Auto, Mark Allen spielt stattdessen einfach eine tiefergelegte Clearance bis pink: Schon bei braun geht er nicht davon aus, dass sie fällt. Aber sie tut es und auf halbem Weg zum Stuhl muss er dann anhalten und blau schnell mal antippen. Doch auch blau fällt und er muss schon wieder umdrehen, um jetzt auch noch pink im Mark-Williams-Stil irgendwie mal in Bewegung zu versetzen. Und man kann es sich denken: Pink fällt.

Zum Ende des Matches war dann trotzdem alles wieder in Bro-Bio-Butter, da sich Shaun Murphy – wie Kollegin Lula von SnookerPRO so treffend sagte – im Tempodrom eh immer wie ein Sieger fühlt. Und plaudern tut er sowieso gerne, daher folgende Weisheit aus seiner Pressekonferenz nach dem Match: “Snooker ist auch deshalb so ein einzigartiger Sport, weil es echt schwer ist zu gewinnen, wenn der Gegner sehr gut spielt.” Na dann, Shaun, na dann.

Jetzt aber genug gequatscht. Es ist 19:50 Uhr und die Nebelmaschine läuft auf Hochtouren. Die Session ist gut besucht und die Spieler werden gleich einer echten Wand aus Fans entgegenblicken. Aber keiner Wand aus knall-weißen Masken! Hier macht sich das eigenwillige Beleuchtungskonzept bezahlt, das alles in ein gemütliches Märchenlicht taucht – wenn man unten in der Arena steht, zeigt sich das Tempodrom im besten Licht. Und das ist auch angemessen für die sagenumwobene Viertelfinalsession. Da darf man auch Minuten vor dem Sessionbeginn schon mit dem Applaus beginnen. Und es hat das knallhart durchgezogen, das Berliner Publikum, zum Erstaunen der englischen Kollegen. Ein unverholener Enthusiasmus schwebt an diesem Freitagabend im Tempodrom, die Wiedersehensfreude eben. Und snookertechnisch geht es gleich zur Sache. Bevor wir überhaupt mit dem Begrüßungsklatschen fertig sind, führt Mark Allen schon mit 1:0. Vielleicht ist ihm zu spät aufgefallen, dass die Currywurstbude endlich wieder offen hat. Da muss es dann doch schnell gehen mit diesem Snookerzeug.

Bei Mark Allens Eile war es umso besser, dass wir noch drei andere Eisen im Feuer hatten. Am TV-Tisch wurde Judd Trump von Zhao Xintong gegrillt. Kyren Wilson hatte dem Charme und Eifer von Ricky Walden wenig entgegenzusetzen, von einem einsamen Century einmal abgesehen. Ricky ließ Snooker in seinen Breaks immer 30 Punkte lang wie Schwerstarbeit und 40 Punkte lang wie einen Strandspaziergang aussehen. Ach, überhaupt war es eine Session wie ein Strandspaziergang! So richtig zum Akkus-Aufladen für uns Snookerfans. Zack an Tisch vier geguckt, Ryan Day böse gesnookert. Und rüber zu Tisch drei, Mark Allen schon wieder bei 80 Punkten. Und schau mal da, Judd Trump verschießt schon wieder! Uiuiuiui schöner Einsteiger, Ricky, auf geht’s! Was locht den der Yan da schon wieder? Oh jetzt wird es richtig einseitig am Allen-Tisch. Dafür Kyren vielleicht doch mit der halben Chance? Ach nein, Ricky übernimmt wieder die Kontrolle. Wer das ein paar Stunden lang genießt, hat die volle Dröhnung Snooker mitgenommen. Und genau dafür sind wir ja hier. Auch mit nur einem Entscheidungsframe hat sich dieser Snookerabend definitiv seinen Platz in unserem Freitagabendinberlingeschichtsbuch verdient. So viel Snooker, so viel Freude.

Kathi