Kippen wir einen?

Posted on December 05, 2021 by Kathi

Da ist etwas am Kippen im Snooker. Und damit meine ich nicht Jimmy „Jim“ White an der Bar mit drei Gläsern Reisschnaps. Eher: Die Zukunftsaussichten des Sports an sich. Irgendetwas stimmt plötzlich nicht mehr – und das nach einer ganzen Dekade des Erfolgs. Es hatte sich langsam eingeschlichen. Unbemerkt wie eine Falle von John Higgins, der den hereingetappten Spieler dann zwei Stöße später so richtig böse snookert. Wir waren auch einfach mit anderen Dingen beschäftigt. Mit der Pandemie zum Beispiel, die im Snooker so herrlich alle anderen Probleme mit einem wärmenden Schleier der Dankbarkeit umhüllte. Immerhin wird gespielt. Immerhin gibt es etwas zu gewinnen. Immerhin gibt es etwas zu sehen. Immer dieselben Wände an denselben Austragungsorten – aber hey, so ist das eben in einer absoluten Ausnahmesituation.

Im Dezember 2021 werden die Scottish Open in Wales gespielt. John Higgins steht in mehr Finals hintereinander als viele Spieler*innen Bälle lochen können. Der Enthusiasmus in den sozialen Netzwerken ist so groß wie Dings Siegeswille. Für die Nicht-ganz-so-top-Spieler*innen klaffen Löcher im Kalender, die größer sind als die in Anthony Hamiltons schlimmster Trainingshose. Ausnahme, Ausnahme, Ausnahme?

Wir merken, es wird rutschig. Da ist etwas in Bewegung gekommen, das uns in die falsche Richtung entgleitet. Wir sollten es vielleicht festhalten. Doch was wollen wir überhaupt festhalten aus den letzten zehn Jahren? Die PTC-artigen Turniere stehen für mich ganz oben auf der Liste, bei World Snooker Tour dagegen derbe auf der Kippe. Profis im Wohnzimmer. Tische in der Scheune. Entspannte Top-Spieler, denn um so viel geht es ja nun doch wieder nicht. Amateur*innen mit den ganz großen Ambitionen eines 50er Breaks gegen Ricky Walden. Ricky Walden dann mit drei Centuries in vier Frames. Shaun Murphy auf Tisch 1, aber das spannendste Match auf Tisch 7,5. Die Kunst des Bratwurstsemmelkauftimings. Diese pure Freude über all die Wunder, die sich auf einem grünen Tisch so finden lassen. Ist das alles weg?

Zum Glück noch nicht. Ausgerechnet die UK Championship ist dieses Jahr unser leuchtender Weihnachtsstern. Nicht die übliche HigginsTrumpSelby-Suppe im Viertelfinale. Ein Debütsieger. Es geht um einen Platz beim Masters. Zwei junge Spieler im Finale, die seit Jahren auf den Durchbruch warten. Die sich freigespielt haben über dieses zweiwöchige Turnier hinweg. Und da ist sie dann wieder, diese Begeisterung. Dieses Alle-gemeinsam-und-ganz-nah-dran Gefühl unter den Fans. Freudenausbrüche bei jedem Century Break – und das ganz ohne Dance Cam. Luca Brecel und Zhao Xintong sind hier mal ganz kräftig auf die Wippe draufgehüpft. Da kippt etwas dorthin zurück, wo es hingehört. Hüpfen wir mit!

Ich hüpfe auf jeden Fall vor Freude, denn wir feiern heute die 101. Ausgabe der #LochBar. Und seit dieser Woche habe ich wieder Hoffnung, dass wir nochmal 101 schaffen. Prost!

Kathi