Ein Bilderbuch aus Bayern

Posted on August 20, 2022 by Kathi

Man könnte meinen, die Sicht sei jetzt eingeschränkt beim European Masters in Fürth. Durch die Abdeckungen und die Absperrungen und die fünf Sitzplätze an Tisch vier. Durch die Baustelle vor der Tür und die Baustelle beim Warm-up in der Arena. Durch die Players Lounge im Keller und die für uns neue Regel, dass man nur zwischen den Frames den Tisch wechseln darf. Aber ich muss sagen, dass ich Snooker in dieser Woche so herrlich nahbar erlebt habe, wie ich es nach den Erlebnissen in Berlin dieses Jahr nicht mehr für möglich gehalten hatte. Und wie man das nach jedem schönen Urlaub macht, zeige ich euch hier mein Fotoalbum der vergangenen Tage.

Ganz vorne auf der ersten Seite klebe ich natürlich die beiden Century Breaks von David Grace gegen Jackson Page ein. Da hatten sich die Snookergötter überlegt, dass es doch ganz lustig wäre, wenn der David Grace ein Match lang mal die Nummer eins der Welt und nicht nur meine persönliche Nummer 1 wäre. Die Bälle hüpften nur so in die Taschen und mein Snookerherz hüpfte mit. Das war Traumsnooker, das war für alle am Tisch sichtbar, das war so verdient. Und weil das Match an sich ja relativ spannungsarm war (macht Jackson Page nur 16 Punkte aus der Chance? Ja. Locht DG den langen Einsteiger? Ja. Fällt Page der Spielball? Ja. Klappt bei DG der Rettungsball? Ja.), legte David im letzten Frame noch eine nervenaufreibende Aufholjagd-Clearance hin, bei der jeder Ball passte wie die Bratwurst ins Weggla. Weil Wu Yize am Nebentisch schnell mit Rory McLeod fertig war, konnten wir nach dem Match sogar in Ruhe feiern und das Ganze nach zehn Jahren voller „4:3 in Fürth mit einem Break von 22 im Decider“ erst einmal sacken lassen.

Während ich bei Davids Matches immer ganz brav und wie gebannt in der ersten Reihe saß – im Achtelfinale dann geschlagene vier Stunden an unser aller Lieblingstisch vier mit Unterstützung im Schichtdienst von Jana und Julian –, hätte ich mich am Donnerstagabend fast selbst aus der Arena werfen müssen. Da hatte ich mich ganz gemütlich zu Marcel an den Tisch begeben, Murphy gegen meinen ewigen WM-Tipp Chris Wakelin. Wir standen und saßen bereit, am TV-Tisch wurden die Spieler in die Arena gebeten. Mit ihnen der allseits beliebte Schiedsrichter-Cousin von Sängerin Camila Cabello: Terry Camiliero. Ich habe in dem Moment natürlich direkt eine entsprechende Nachricht von Christian auf dem Handy, Marcel und ich gucken uns an, und es ist um mich geschehen. Wir wissen alle, wie leise es beim Snooker ist – da ist es wirklich, wirklich schwer, einen Lachanfall zu unterdrücken. WIRKLICH SCHWER. Zum ersten Murphy-Frame kann ich deshalb nicht viel sagen, ich war zu sehr mit mir selbst beschäftigt.

Mit sich und den Fans beschäftigt war dagegen Shaun Murphy selbst. Seine Auftritte in Deutschland sind immer besonders sehenswert. Er badet einfach zu gerne in der Aufmerksamkeit der Fans. Er schreitet salbungsvoll an Tisch 3, Tisch 1 ist aktuell ja eher selten seine Bühne. Er ist sich 100% sicher, dass alle nur wegen ihm klatschen, und er gibt auf seine herzensgute Art jedes Autogramm unter der Sonne. Wenn noch jemand ein Programmheft hat, auf dem Shaun Murphy nicht unterschrieben hat, ist das ein Vermögen wert! Dann kommentiert er selbstverständlich die etwas nach unten geknickte Lederummantelung der Ecktasche und fragt Marcel, ob man einen neuen Schwanenhals am Tisch hätte. Wenn man Snookologie studieren könnte, Shaun Murphy wäre unser Stardozent. Immerhin gibt es bald in dieser Hinsicht mal wieder etwas zu lesen, wenn Michael Georgiou sein sehr buntes Coaching-Buch fertig hat.

So, jetzt kommt hier zwischendurch eine kleine bunte Seite voller Umarmungen im Album. Danke an Christian und die üblichen Verdächtigen der Snooker-Community – an jedem Tisch strahlende Gesichter. Danke an Ollie und Paul und die WST-Presseabteilung an der Gala-Tafel im Keller. Danke an Karin und Michael für den fantastischen Shuttle-Service. Es ist Schwerstarbeit, Spieler effizient auf Shuttles aufzuteilen – da durfte ich mich zwischendurch auch mal nützlich machen.

Am Schluss teile ich noch einen Schnappschuss, den ich gerne live gesehen hätte: Stehen drei Profis in einem Hotelzimmer und schreien, während sie von einer Fledermaus umschwirrt werden. Ist wirklich passiert. Noch vor diversen Elektrorollerabenteuern der britischen Gäste und in Putzeimern abgestellten Queues definitiv das Bild der Woche.

Und mit zum Platzen gefüllten Snookerherz noch die Botschaft der Woche: Das Paul Hunter Classic funktioniert auch als European Masters. Wir brauchen es. Die Snookerwelt braucht es. Wir haben uns eine Woche lang an Tisch vier gequetscht, da muss WST ein Fürther Event in den Kalender für nächste Saison quetschen können.

Kathi