Tempodrom Berlin, Finale, Auftritt Judd Trump – es herrscht wieder eine Atmosphäre, um die uns die restliche Snookerwelt beneidet. Die Schallwellen des Applauses kann man selbst im Jahr 2024 noch bis zu einem Snookerurknall in Deutschland zurückverfolgen und dieser Urknall heißt Rolf Kalb. Irgendwann hat sich Eurosport entschlossen, sich in den grünen Grenzbereich des Sportbegriffs vorzuwagen. Irgendwann hat Rolf Kalb begonnen, diese Skurrilität westentragender Ballschubser zu kommentieren. Und irgendwann haben wir ihn alle zum ersten Mal gehört – und dann nicht mehr aufgehört.
Jetzt hört er selbst auf, der Rolf, und eigentlich bräuchte es mindestens ein paar Tage, um die Gedanken in Ruhe zu sortieren. Aber das wäre unfair, die hatte Rolf ja auch nie. Immer live, immer was los, in den letzten Jahren oft nur mit Stunden zwischen den Turnieren und 26 neuen Century Breaks allein von Neil Robertson, die manuell nachgetragen werden mussten, weil man sich auf offizielle Statistiken besser nicht verlassen will. Den Neil Robertson, den hat er mir vorgestellt, der Rolf. Den Judd Trump auch. Den Ronnie sowieso. Und auch den Steve Davis. Er hat sie uns alle nähergebracht. Im Fernsehen und – zusammen mit dem Snookerstars-Team – bei Exhibitions, bei denen er mindestens genauso wichtig war wie die Spieler und Schiedsrichterinnen. In einem Sport, in dem die emotionale Nähe zum Geschehen mit die größte Attraktion ist, ist das wertvoller als jeder goldene Ball.
Du kannst die wundervollsten Spieler im Land fragen und die grottigsten, die Ronnie-Verehrer und die David-Grace-Fans, Tippspieltipper und Tempodromtombolaverlierer, die Safetypuristinnen und die Shootout-Olés, die VIP-Platin-Häppchen-Connaisseurs und die Bratwurstsemmel-Maximumverpasser, angefangen hat es einstimmig mit Rolf Kalb. Mal nachts um 3 Uhr in der Wiederholung, weil man nicht schlafen konnte. Mal ganz gemütlich im Kreise der Familie mit Chips am Samstagabend. Mal allein im Hotel auf der Dienstreise. Mal aus Versehen mit Freunden wegen einer verlegten Fernbedienung. Ganz egal, da beschreibt dir plötzlich ein Typ mit einer rauchigen Stimme und einer Seelenruhe, dass sich der Ali Carter grad mit Grausen wendet. So sieht der Ali Carter auch aus. Aber warum denn? Ach guck mal, da wird es ja direkt erklärt, ein Free Ball für den Gegner, das klingt aber ganz schön gefährlich. 10 Jahre später siehst du zum 100. Mal eine ähnliche Situation auf dem Tisch und kannst den Text fast mitsprechen. Jetzt aber noch mit Grüßen an die #147sf-Community.
Auch hier war Rolf vorne mit dabei. Die Fernsehscheibe hat tiefe Risse bekommen, so sehr hat er bisweilen die Wand zwischen sich und dem Publikum aufgebrochen. Jemand auf Twitter hat geschrieben, dass das heute das 147. Finale für Paul Collier sei. Der Michi war das doch bestimmt wieder, der weiß sowas immer. Wir hätten nie ein Public-Viewing-Stadion vollbekommen, aber das war auch nie wichtig. Wir hatten das Bingo, wir hatten einen Parodieaccount, der nach kurzer Zeit zum Verehrungsaccount wurde, die Raucherpause vor der Fürther Stadthalle und den Zusammenhalt über Jahrzehnte hinweg. Darin werden wir uns die WM über jetzt baden wie Barry Hearn im Champagner – und danach?
Danach wünsche ich mir von Eurosport den Mut von damals zurück. Wir haben Leute, die aus unterschiedlichsten Perspektiven gerne und gut über Snooker reden. Über die Technik und die Taktik und alles drumherum. Die vielleicht die Leute wieder abholen, die in den letzten Jahren Richtung Eurosport UK geschielt haben. Die das vielleicht noch nicht beruflich machen oder 52 Wochen im Jahr machen wollen. Lasst uns etwas ausprobieren! Einen neuen 35-Jahres-Vertrag haben wir eh nicht zu vergeben, denn einen neuen Rolf kann es gar nicht geben. Das Beruhigende: Den Snookerdeutschlandurknall wird man sowieso noch eine ganze Weile lang nachhallen hören. #DankeRolf!
Kathi