Ich sitze jetzt in München am Flughafen, warte auf den Flieger nach Berlin und lasse ungläubig die letzten drei Tage Revue passieren. Nach vielen Jahren des Hoffens, Aufschiebens und NeinJaVielleichtErstNächstesJahrNeinWirMachenDasJetzt bin ich nun also endlich einmal selbst in Sheffield und im Crucible Theatre gewesen. Die Tickets wurden vor einem Jahr gekauft, die weitere Planung erst viel später (und wie wir inzwischen wissen: zu spät) ganz blauäugig in Angriff genommen. Es hätte so viel schief gehen können. Kein Zug rechtzeitig am Sonntag zurück nach Birmingham (warum eigentlich nicht Manchester?), spontan gebuchter Ersatzbus, unübersichtliche Tickets für den Transfer zu Coach Stations und ein Uber zum Flughafen aufgrund von nicht ausgestellten Boardkarten (Sie haben da eine wichtige Nachricht!). Es war rundum chaotisch, was die Organisation anging. Aber es hat alles geklappt. Und Kathi hat inzwischen Schweißperlen auf der Stirn, wenn eine Nachricht von mir auf ihrem Handy aufblinkt.
Gott sei Dank gab es ja da die Entschädigung durch das Crucible Theatre, das Snooker und allem drum herum. Man kann sich vorab nicht wirklich vorstellen, wie sehr das gesamte Städtchen Sheffield auf dieses Event ausgerichtet ist. Wo kriegt man schon 20 % Rabatt in Restaurants, wenn man ein Ticket für die nächste Session vorzeigt? Wo hängen sogar an Kirchen Plakate mit dem Aufdruck "Sheffield loves Snooker"? Wo sonst gibt es Public Viewing für eine Randsportart, in der zwei Leute bejubelt werden, weil sie kleine Kugeln mit Stöckern in kleine Löcher fallen lassen? Die ganze Stadt brennt für diese Snooker-WM und da sind wir noch nicht mal im Crucible Theatre angekommen.
Ich gebe zu, ich war mir vorher nicht so wirklich sicher, ob ich die Begeisterung gegenüber einem simplen Gebäude teilen würde. Doch alle Geschichten, der Mythos und die Faszination um dieses kleine Theater sind wahr! Wenn ihr in den nächsten zwei Jahren die Gelegenheit habt, das Erlebnis Snooker-Weltmeisterschaft im Crucible live mitzuerleben, dann macht es! Es lohnt sich!
Ich hatte für drei Sessions Tickets und hatte mir vorher nicht allzu viel erhofft. Auf dem Papier klangen beide Matches vielversprechend (2 mal Williams-Vafaei, 1 mal Brecel-Ding), wirklich zufrieden war ich damit aber nicht, zumal ich keinen meiner Favoriten abbekommen habe. Ich würde jetzt aber trotzdem behaupten, dass ich sehr viel Glück hatte. Über das Maximum von Allen und damit verbunden das beste Match, das ich je hören konnte, habe ich im Podcast bereits berichtet. Gestern Abend kam dann die Luca-Brecel-Show, gefolgt vom Higgins-Drama. Es waren zwei grandiose Momente in Sheffield, für die ich gerne nochmal zwei Sessions Williams-Vafaei durchhalten würde, um sie erneut zu erleben (Nein, bitte nicht!!!).
Auch hinter den Kulissen - Kathi hat ja auch schon fleißig berichtet - ist das Crucible eine ganz andere Hausnummer als das Tempodrom in Berlin. Ein beeindruckender Pressebereich mit bekannten Journalisten und den Live-Radio-Schalten von der BBC, tolle Gespräche mit (Ex-)Spielern, Referees (Maike und Marcel, yeah!) und den weiteren Offiziellen (Rob Walker, Ivan Hirschowitz, Matt Huart, etc.) und die Pressekonferenzen natürlich. Im Prinzip kann man sich auch einfach hinsetzen und zuhören, man hört dabei Stoff für drei bis vier Blog-Einträge. Die Diskussion um die zu erstellende Grafik für das Century, das bereits die Vorjahres-Zahl überbieten würde, werde ich nicht so schnell vergessen. Ebenfalls nicht die Enttäuschung, als ich die finale Grafik gesehen habe. Auch der eine Journalist, der Chris Wakelin gleich drei Nachfragen zu dessen Whirlpool-Sponsor stellte und anschließend noch 20 Minuten darüber weiter mit einem Kollegen philosophierte, bleibt mir im Gedächtnis.
Noch ein paar Worte zu Sheffield an sich. Das Städtchen hat viel Charme, aber definitiv schon bessere Zeiten gesehen. Und dass Fußgängerampeln für alle Fußgänger anscheinend eher so eine optionale Empfehlung sind, verwundert dann schon. Gerade, wenn man nicht so an den Linksverkehr gewöhnt ist. Auch dass die Ronnie-Hardcore-Fans, die durch die Gegend brüllen und ihn selbst beim Essen und Toilettengang belagern und fotografieren, hier noch peinlicher sind als bei uns, sollte nicht verwundern. Vielleicht ist das ja der Grund, warum sein Shop in einer fast unmöglich zu findenden Seitengasse inzwischen geschlossen wurde.
Für mich heißt es nun Rückreise nach Berlin (das Boarding beginnt in Kürze) und wieder zurück in den Alltag. Die WM geht natürlich munter weiter und ist für die nächsten zwei Jahre weiterhin in Sheffield gesichert. Und ich bin fest entschlossen, ins Crucible Theatre zurückzukehren, solange das noch der Fall ist!