Der Beste der Sieglosen

Posted on June 26, 2017 by Chris

Dank des immer volleren Turnierkalenders, der Aufwertung kleinerer Turniere zu vollwertigen Ranglistenturnieren und dem Start aller Spieler in Runde 1 der Events haben wir inzwischen deutlich öfter Erstlingserfolge im Snooker zu vermelden. Spieler, die schon jahrelang auf ihren ersten Turniersieg warten oder gar erst wenige Profi-Jahre auf dem Buckel haben, haben plötzlich deutlich bessere Chancen, ein Weltranglistenturnier zu gewinnen. Und so taucht in letzter Zeit immer mal wieder ein Thema auf, das lange Zeit kein Thema war: Wer gilt als der beste Spieler, der noch nie ein Ranglistenturnier gewinnen konnte?

In der letzten Saison haben einige Kandidaten, darunter Mark King und Liang Wenbo, eine mögliche Nominierung in dieser Kategorie verhindern können. Spätestens jedoch mit dem Triumph von Anthony Hamilton in Berlin hat sich das Thema in der Snooker(blogger)-Szene zu einem Kuriosum entwickelt. Konnte man sich nun in letzter Zeit relativ sicher sein, in Ryan Day einen geeigneten Kandidaten für diesen "Titel" gefunden zu haben, hat sich das mit dessen Triumph in Riga nun auch erledigt. Das Problem an der Sache ist natürlich auch die Kriterien-Wahl, die man dafür anbringt. Sind es Finals? Halbfinals? Der Karriere-Gesamterfolg? Das Preisgeld? Schlichtweg nur das Talent? Letztlich gibt es darauf wohl keine wirkliche Antwort, jeder muss einfach selber schauen, welche Spieler dafür in Frage kommen. Selbstverständlich habe ich dazu auch eine Meinung, weshalb ich meine derzeitigen 10 Auserwählten mal präsentiere:

10. Kirk Stevens

Der inzwischen 58-jährige Kanadier war zweimaliger Halbfinalist bei der Weltmeisterschaft und stand zwischenzeitlich mal auf Platz 4 in der Weltrangliste. Als er 1985 seine Abhängigkeit von Kokain bekanntmachte, ging es für ihn leider bergab. Zwar kam er mit Unterstützung von seiner Sucht los, seine Karriere erholte sich aber nicht mehr.

9. Luca Brecel

Es mutet vielleicht etwas gemein an, einen 22-jährigen auf diese Liste zu setzen, aber Luca Brecel ist inzwischen seit 6 Jahren auf der Main Tour. Der Belgier galt in seiner Jugend als das größte Talent seit Ronnie O'Sullivan und gewann bereits mit 14 Jahren die U19-Europameisterschaft. Obwohl sich Brecel Schritt für Schritt in der Weltrangliste nach oben arbeitet, schafft er es bislang zu selten, sein Potential zu zeigen. Als Finalist des German Masters 2016 hat er aber zumindest einen Fingerzeig in die richtige Richtung gegeben.

8. David Gilbert

Der 36-jährige gehört zu den typischen Top-32-Spielern, die man gerne mal vergisst und bei Favoritenfragen nie auf dem Zettel hat. Das liegt wohl größtenteils daran, dass Gilbert seine ersten zehn Jahre auf der Main Tour eher verhalten erfolgreich verbracht hat. Andererseits hat sich der "Farmer" aber in den letzten zwei Jahren enorm verbessert und ist auch gegen größere Namen deutlich konstanter geworden. Highlight dabei war natürlich der Finaleinzug bei der International Championship 2015. Gilbert klopft immer mal wieder an die Top 16 an und spätestens mit seinem ersten Titel könnte ihm das auch gelingen.

7. Andy Hicks

In 22 Jahren als Profi (1991-2013) schaffte es der inzwischen 43-jährige Engländer nicht ins Finale eines Weltranglistenturniers. Ganze sechs Mal scheiterte er im Halbfinale, darunter bei der Weltmeisterschaft 1995. Auch beim Masters kam er 1996 bis in die Vorschlussrunde und stand sogar kurz vor dem Einzug in die Top 16. Ganze 148 Centuries spielte Hicks in seiner Karriere, die derzeit im Amateur-Bereich weiterlaufen muss. Zwar versucht Hicks regelmäßig über die Q-School den Weg zurück zu den Profis, bisher gelingt ihm das aber nicht.

6. Robert Milkins

Ähnlich wie Gilbert ist auch Robert Milkins einer derjenigen, die in der 2. Reihe ganz gerne mal übersehen werden. Und genau wie bei Gilbert liegt das wohl daran, dass Milkins zu oft in Turnieren der letzte Schritt nicht gelingen will. Ganze sechs Mal scheiterte der "Milkman" jetzt schon im Halbfinale bei Weltranglistenturnieren. Bis auf Rang 12 der Weltrangliste haben ihn seine Leistungen schon gebracht, die eigentlich insgesamt viel zu gut sind, damit der 41-jährige ohne Titel dasteht. Die Formkurve der letzten zwei Jahre zeigte leider auch eher nach unten als weiter nach oben, so dass hier berechtigte Zweifel bestehen, ob Milkins den Makel noch loswird.

5. Michael Holt

Der 38-jährige Engländer gehört zu den besten Top-32-Spielern, die noch ohne Ranglistentitel dastehen. Zwei Mal triumphierte Holt bei PTC-Turnieren, deren Nachfolge-Events ja inzwischen auch vollwertige Weltranglistenturniere sind. Zudem stand er letztes Jahr im Endspiel des Riga Masters und gewann in seiner Karriere schon fast eine Million Pfund an Preisgeldern. Bei Holt ist ein großer Titel eigentlich längst fällig, doch wie bei so vielen Spielern scheint auch bei ihm der letzte Schritt noch einen Tick zu schwer zu sein.

4. Darren Morgan

Eine unvollendete Karriere ist es, die bei Darren Morgan zu Buche steht. Zwar gewann der Waliser sieben Titel bei Einladungsturnieren, aber ein vollwertiger Ranglistentitel kam nie hinzu. Seine beiden Endspiele verlor der inzwischen 51-jährige deutlich, genauso wie sein WM-Halbfinale 1994. Auch Morgan gehört zu den Spielern, die mehr als 100 Centuries in ihrer Karriere schafften. Im Juni 2016 machte er als Wildcard beim Riga Masters nochmal auf sich aufmerksam, als er sensationell das Halbfinale erreichte, als ältester Spieler jemals bei einem Weltranglistenturnier. 

3. Joe Swail

Ich will eigentlich nicht schon wieder mit einer unvollendeten Karriere anfangen, aber im Grunde geht es Joe Swail ganz genauso wie Darren Morgan. Ganze sieben Titel bei Einladungsturnieren gesellen sich zu einem Ranglistenfinale bei den Welsh Open 2009. Unzählige weitere Halb- und Viertelfinals ließen die Kasse beim Nordiren regelmäßig klingeln, aber für den ganz großen Wurf reichte es nie. Swail kämpft seit fünf Jahren immer wieder um seinen Main-Tour-Platz, war gar eine Saison lang nur Amateur. Aktuell ist er dank der Q-School wieder unter den Profis, ob er aber jemals ein Ranglistenturnier gewinnt, bleibt fraglich.

2. Jamie Cope

Fraglich bleibt das wohl auch bei Jamie Cope, was nicht zuletzt daran liegt, dass der Engländer derzeit gar kein Profi ist. Nach der letzten Saison von der Main Tour gefallen, hat es Cope leider verpasst, sich das Ticket zurückzuholen. Dabei begann die Karriere für das große Talent eigentlich so gut: Mit seinem zweiten Anlauf auf der Tour spielte "The Shotgun" sich zwischen 2006 und 2011 in der Rangliste bis auf Platz 13 nach oben, erreichte zwei Endspiele bei Ranglistenturnieren und gewann zwei Challenge-Tour-Events. Doch es sollte anders kommen: Seine Yips-Erkrankung (eine Art Muskelzucken) wurde immer schlimmer und Cope konnte seine Form nicht mehr konstant halten. Es wurde zum Zufallsprodukt, ob der Engländer mal einen guten oder schlechten Tag erwischen sollte. So purzelte Cope die Rangliste in den nächsten Jahren nach unten und befindet sich vorläufig nur bei den Amateuren. Ob es einen Weg zurück für das 31-jährige Talent gibt, wissen wohl nur die Sterne (oder vielleicht Stephen Lee). 

1. Mark Davis

Ich habe lange überlegt und mich dann doch relativ klar für den 44-jährigen als neuen Anführer der besten Spieler ohne Ranglistentitel entschieden. Seit 26 Jahren ist der Engländer auf der Main Tour und erreichte bislang vier Mal das Halbfinale bei Weltranglistenturnieren. Turniersiege sprangen bisher nur bei Einladungsturnieren heraus, darunter mehrmals bei der 6-Reds-WM. Davis ist Preisgeld-Millionär und der einzige Spieler ohne großen Titel, der bereits mehr als 200 Centuries gespielt hat. Zwei Maximum-Breaks spielte der Mann aus Sussex schon und gastierte zudem schon mehrfach in den Top 16 der Weltrangliste. Bei Mark Davis ist ein Ranglistentitel längst fällig und er ist für mich damit der "Sieger" in dieser Auflistung. Herzlichen.. ähm.. Glückwunsch!

Die Liste ist natürlich rein subjektiv aus meiner persönlichen Meinung entstanden, aber ich denke, ich habe ganz gut deutlich gemacht, warum ich die Spieler so einordne. Natürlich könnte man hier noch weitere Spieler nennen: Tom Ford, Tony Drago, Andrew Higginson, Patsy Fagan, John Virgo, Robin Hull, Perrie Mans und Marcus Campbell hatte ich ebenfalls in die engere Auswahl gezogen. Welchen Spieler seht ihr als Favoriten auf den unrühmlichen Titel an? Schreibt mir gerne dazu in die Kommentare oder bei Twitter.