Die 5 kuriosesten und besten WM-Comebacks

Posted on November 30, 2011 by Chris

Seit dem 01. März besteht dieser Blog nun schon und inzwischen haben sich fast 100 Posts angesammelt. Für das kleine Jubiläum habe ich mir mal wieder eine Art Top-Liste ausgedacht und präsentiere meine 5 Favoriten für die besten und kuriosesten Comebacks in der Geschichte des Crucible Theatre's, dem Austragungsort der Snooker-Weltmeisterschaft.

Platz 5: Mark Williams - John Higgins 17:15 (Halbfinale 2000)

Kaum zu glauben, was ein nicht vorhandenes Händeschütteln auslösen kann! Im Halbfinale der WM 2000 standen sich mit Mark Williams und John Higgins zwei absolute Weltklasse-Spieler gegenüber, Higgins bereits mit einem Weltmeistertitel im Gepäck, Williams (noch) ohne. Der Waliser erreichte die Runde der letzten 4 relativ ungefährdet nach Siegen über John Read (10:4), Drew Henry (13:9) und Fergal O'Brien (13:5). John Higgins hatte in seinen ersten beiden Matches gegen Dave Harold (10:8) und Steve Davis (13:11) deutlich mehr Mühe, gewann sein Viertelfinale aber ebenfalls mühelos gegen Anthony Hamilton (13:2). Das Halbfinale gegen Williams begann für Higgins recht vielversprechend. Nach den ersten 3 der 4 Sessions lag der Schotte mit 14:10 vorne und Williams selber glaubte nicht mehr an den Sieg, hatte er doch in der Pause zwischen den letzten beiden Sessions bereits seine Sachen für die Heimfahrt gepackt. Komplett relaxed und ohne Druck ging der Waliser in die letzten Frames und vergaß vor dem Start der Session, John Higgins die Hand zu schütteln. Higgins selber machte sich nun Sorgen, was er Williams angetan haben könnte, weswegen dieser ihm nicht die Hand gibt. Dass solche die Konzentration störende Gedanken Gift für einen Snookerspieler sind, bewiesen die folgenden Frames. Der Schotte gewann lediglich einen weiteren Frame und musste sonst mit ansehen, wie sich Williams ins Finale spielte. Im Nachhinein bezeichnete Higgins die Niederlage als die enttäuschendste seiner Karriere und meinte, dass er einfach zu Williams hätte hingehen müssen und ihm selber die Hand schütteln, anstatt die gesamte Session darüber nach zu denken. Mark Williams hingegen stand nun im Finale und gewann gegen Matthew Stevens 2 Tage später seinen ersten WM-Titel. Higgins musste auf seinen zweiten Titel in der Folgezeit noch 7 Jahre warten.

Platz 4: Peter Ebdon - Ronnie O'Sullivan 13:11 (Viertelfinale 2005)

Das Viertelfinalduell zwischen Peter Ebdon und Ronnie O'Sullivan bei der WM 2005 war eins der kontroversesten Snooker-Matches aller Zeiten. Was bei einer zwischenzeitlichen 8:2-Führung für "The Rocket" wie ein Spaziergang für den damaligen Titelverteidiger auszusehen schien, entwickelte sich zu einem Thriller und zu einem mentalen Showdown in O'Sullivans Psyche. Nach 2 der 3 Sessions führte O'Sullivan immer noch komfortabel mit 10:6, aber Ebdon bot in der letzten Session alles an Kraft auf, was er noch in sich fand. Mit einem krassen Heruntersetzen der Spielgeschwindigkeit trieb er Ronnie nahezu in den Wahnsinn. Extrem methodisch vorgehend, überlegte Ebdon teilweise mehrere Minuten am Tisch, bevor er den nächsten Stoß machte. Mehrmals brauchte er knapp 5 Minuten für Breaks von 12 Punkten. Ebdon sagte später zwar, dass er nicht mit Absicht deutlich langsamer gespielt hat, allerdings muss ihm bewusst gewesen sein, dass er O'Sullivan, ohnehin psychisch instabil, damit aus dem Konzept brachte. Das Bild war bizarr: O'Sullivan kaute an seinen Nägeln bis Blut kam, stand auf seinem Stuhl, lachte.. und verlor letztendlich das Match. Peter Ebdon verletzte keine Regel: Zu keinem Zeitpunkt wurde er vom Schiedsrichter wegen unnötiger Zeitverzögerung verwarnt, was durchaus möglich gewesen wäre. Man kann den Spielstil von Peter Ebdon, der ja sowieso nicht der schnellste ist, gut finden oder nicht, in diesem Match hat er es eindeutig übertrieben. Im Endeffekt zählt aber nur das Ergebnis, und demnach stand Peter Ebdon im Halbfinale, verlor dieses allerdings gegen den späteren Überraschungsweltmeister Shaun Murphy.

Platz 3: Nigel Bond - Cliff Thorburn 10:9 (1. Runde 1994)

Dies ist das einzige der hier aufgeführten Matches, das ich weder live noch in einer Aufzeichnung sehen konnte. Nichtsdestotrotz ist das Comeback von Bond eins der beeindruckendsten der Snooker-Geschichte. Cliff Thorburn, Weltmeister von 1980 und bekannt für seine Matchhärte und seinen klassisch kämpferischen Spielstil, eroberte sich eine zwischenzeitliche 9:2-Führung. Der Kanadier, der die drei Jahre davor nicht bei der WM dabei war, ließ Nigel Bond bis dahin keine Chance und hatte unter anderem mit einer tollen Total Clearance von 139 Punkten seine Siegambitionen unter Beweis gestellt. Thorburn verpasste anschließend allerdings Chance um Chance, das Match sicher zu machen, während Bond Fahrt aufnahm und sich einen Frame nach dem anderen holte. Beim Stand von 7:9 musste das Match vorerst abgebrochen werden, weil bereits die nächste Session auf dem Plan stand. So mussten beide am späten Abend nochmal ran und Thorburn konnte auch dort das Match nicht zu seinen Gunsten klarmachen. Die nächsten beiden Frames verlor der Kanadier jeweils auf schwarz, bevor Bond in den frühen Morgenstunden den Sieg sicher hatte. Für Thorburn, der 2 Jahre später seine Profi-Karriere beendete, war es der letzte Auftritt im Crucible Theatre und eine der grausamsten Niederlagen seiner Laufbahn. Für Nigel Bond hingegen begann mit dem Sieg die beste Zeit seiner Karriere, obwohl er im Viertelfinale an Stephen Hendry scheiterte. 1995 erreichte er das WM-Finale (wo er erneut Hendry unterlag) und gewann in den nächsten beiden Jahren die British Open, das Scottish Masters und den Malta Grand Prix.

Platz 2: Dennis Taylor - Steve Davis 18:17 (Finale 1985)

In eigentlich keiner Aufzählung für Snooker-Extreme darf das wohl bekannteste Finale der Geschichte fehlen, das es in Großbritannien sogar auf DVD zu kaufen gibt. Dieses Finale ist der beste Beweis, dass im Snooker einfach alles möglich ist. Bereits im Jahr zuvor standen sich die beiden bei der WM gegenüber, allerdings behielt Davis damals im Halbfinale beim 16:9 deutlich die Oberhand. Steve Davis, bereits 3 mal Weltmeister und mit der Mission gestartet, sich den dritten Titel in Folge zu holen, wurde seiner Favoritenrolle gerecht, als er sich in der ersten Session eine 8:0-Führung herausspielte und viele sogar darüber nachdachten, ob Taylor überhaupt einen Frame gewinnen würde. Der erste kleine Wendepunkt war gleich zu Beginn der zweiten Session, als Davis eine Grüne verschoss und es so verpasste, auf 9:0 davon zu ziehen. Taylor spielte sich in einen kleinen Rausch und konnte bis zum Ende der Session den Rückstand auf 7:9 verkürzen. Am Finaltag startete ein spannender Schlagabtausch. Obwohl sich Davis immer wieder eine gute Führung rausarbeiten konnte (13:11, 17:15), glich Taylor immer wieder aus und ließ sich nicht mehr abhängen. Der letzte Frame dauerte dann ganze 68 Minuten. Überhaupt ist das Match mit einer reinen Spielzeit von 14 Stunden und 50 Minuten das bis heute längste Best-of-35-Frame-Match der Geschichte. Davis führte 62:44 im Entscheidungsframe und lediglich die letzten 4 Bälle lagen auf dem Tisch. Taylor lochte braun, blau und pink, allesamt klasse Pots, und das legendäre Duell um die letzte Schwarze begann. Um 1:19 Uhr deutscher Zeit hatte Taylor es dann geschafft und eins der größten Comebacks der Sportgeschichte erfolgreich beendet. Bis heute sind die letzten Szenen des Finals und Taylors Jubel unvergessen und bis heute hat auch keine BBC-Sendung mehr Zuschauer erreicht (18,5 Millionen in Großbritannien). Zum 25. Jubiläum des Finals haben Steve Davis und Dennis Taylor bei der WM 2010 ein Rematch über einen Frame gespielt. Die Veranstaltung wurde zu einer Sternstunde des Snookers, bei der man aus dem Lachen nicht mehr herauskam und am Ende sogar die letzten Minuten des Finals von 1985 nachgestellt wurden. Ich kann das Video von diesem Event also nur jedem empfehlen.

Platz 1: Ken Doherty - Paul Hunter 17:16 (Halbfinale 2003)

Der klare Gewinner ist eins der größten Comebacks der Snooker-Geschichte überhaupt. Schon der Weg ins Halbfinale war für Ken Doherty ein Marathon. In der ersten Runde gewann er auf die letzte Schwarze gegen Shaun Murphy mit 10:9 und auch im Achtelfinale musste er beim 13:12 über Graeme Dott über die volle Distanz gehen. Gegen John Higgins hatte er im Viertelfinale schon mit 10:0 geführt, ehe der Schotte eine Aufholjagd starten wollte und am Ende doch mit 8:13 verlor. Vielleicht war somit auch Müdigkeit ein Grund, dass er gegen Hunter, der nach Siegen über Ali Carter (10:5), Matthew Stevens (13:6) und Peter Ebdon (13:12) ins Halbfinale eingezogen war, nach den ersten 3 Sessions mit 9:15 in Rückstand lag. Dass der Ire jedoch eine Kämpfernatur ist, zeigte er ja bereits bei seinem WM-Titel 1997, und so entwickelte sich eine der dramatischsten Snooker-Geschichten aller Zeiten. Die letzte und entscheidende Session sollte am Samstag Nachmittag stattfinden. Die Veranstalter hatten bereits Sorgen, dass es womöglich nur 2 Frames geben wird und planten ein paar Exhibition-Einlagen. Mit zwei knappen Frame-Siegen startete Doherty in die finale Session, holte sich dadurch wieder mehr Selbstvertrauen und rüttelte an der Entschlossenheit von Paul Hunter. Obwohl Hunter nach 5 verlorenen Frames in Folge das 16:14 machte und so kurz vor dem Sieg stand, schien seine Moral gebrochen, zumal Doherty jetzt alles ins Match warf, was er noch an Kraft aufbringen konnte. Der Entscheidungsframe war letztendlich recht einseitig und Doherty holte sich verdient den Sieg in einem Match, das aber nicht nur wegen dem, was auf dem Tisch passierte, ein besonderes war. Die trotz der Anspannung herzliche Stimmung der Spieler am Tisch und abseits davon, insbesondere nach dem Match, war einfach nur herrlich. Hunter wünschte Doherty alles Gute für das Finale und umarmte sogar dessen engen Freund Mick. Auch bei der Pressekonferenz war Hunter zu keiner Zeit nachtragend wegen dem Ergebnis, sondern freundlich und voller Anerkennung für die Leistung Dohertys. Auch dieser lobte die Leistung des Gegners, der sich sicher war, dass der WM-Titel eines Tages ihm gehören würde. Dass ihm das Schicksal in dieser Hinsicht auf grausame und tragische Art und Weise ein Bein stellen würde, ahnte zu diesem Zeitpunkt noch keiner. Ken Doherty zog letztlich ins Finale ein, verlor dieses jedoch mit 16:18 gegen Mark Williams, der sich damit seinen zweiten WM-Titel holen konnte. Bis heute aber hält Ken Doherty den 2003 aufgestellten Rekord für die meisten gespielten Frames bei einer Weltmeisterschaft (132). Ebenso ist er bis heute der einzige Spieler, der den WM-Titel sowohl als Junior, als Amateur und als Profi gewinnen konnte.