Die dicke Staubschicht auf dem Tresen ist schnell weggewischt, die LochBar öffnet nach langer Dissertationspause wieder. Aber es gibt ein Problem: Meine Marktlücke ist weg. Der Profisnookersport hat sich seit Anfang der letzten Saison in absolute Realsatire verwandelt – wer braucht da noch die LochBar? Da reicht eigentlich ein Blick auf den Twitter-Account von WST, wo Zhao Yuelong gerade verloren hat und die Spielerfotos von 2015 sind. Oder ein Blick aufs Live Scoring. Wobei, das findet man ja eh nicht. Kannste dir nicht ausdenken, brauchste nicht übertreiben.
Was bleibt zu tun? Die Gegenposition einnehmen. Läuft doch, sie spielen doch, was habt ihr denn alle? Ich muss nicht wissen, wer wann gegen wen spielt, wie es steht, welche Breaks gespielt wurden oder wo und ob ich das Spiel gucken kann. Macht euch mal locker. Sie wird doch kommen, die neue Website. Und das wird die beste Website, die Snooker jemals hatte. Jemals! Alle zusammen: Je-mals! Nur noch etwas Geduld bitte. So ein Peter-Ebdon-Break wird nicht an einem Tag erbaut, ein Superhighspeedlivescoring auch nicht. Was wohl die neuen Features werden? Wollen wir wetten? Ich kenne paar Leute, die jetzt ganz viel Zeit zum hauptberuflichen Wetten hätten – oder ist es noch zu früh für solche Sprüche? Na ja, ich tippe jedenfalls darauf, dass sich die Scores dann alle 15 Sekunden selbst aktualisieren (“doppelt so schnell!”), die durchschnittliche Stoßzeit als Zeitreihe eingeblendet wird (“neue interaktive Kernstatistik”) und uns die Top-8-Spieler als GIFs dynamisch zuwinken aus ihren Scoring-Fotos raus (“nah am Fan”). Außerdem kannst du mit nur einem Klick Ronnies neue Masterclass buchen (“Masterclass”) und die Tischtemperatur zwei Stunden nach dem Match abrufen (“Hightech”). Wann? So ab Weihnachten, die UK Championship ist ja eh nicht mehr so viel wert. Und überhaupt: Was soll das Geheule, kann doch niemand wissen, dass die neue Saison schon losgeht. Wir sind mit der letzten eh noch gar nicht fertig. Oder haben wir schon einen neuen Weltmeister? Ach, der Brecel? Von dem haben wir aber auch lange nichts gehört. Undercover-Marketing heißt das, macht man so, wenn zum ersten Mal jemand aus Kontinentaleuropa Champion wird.
Das hat jetzt ehrlich gesagt so mittel funktioniert mit der positiven Gegenbewegung. Aber das muss auch okay sein. Wir lieben Snooker, wir müssen nicht unbedingt WST lieben. Da arbeiten viele tolle Leute, aber irgendwas oder irgendwer (ist das dieser Dawson oder dieser ominöse neue PR-Chefchef?) sorgt gerade dafür, dass wir von der tollen Arbeit dieser tollen Leute exakt nichts mitkriegen. Sondern das Gefühl haben, als hätte der Weltverband jedes Ehrgefühl und sogar die Fähigkeit des Sich-entschuldigens verlernt. Um hier der mittlerweile entfernten Aussage eines Topspielers Raum zu geben: “Das ist das Schlechteste, das ich je gesehen habe.”
Wenn die Fröhlichkeitsintervention nicht klappt, versuchen wir es mit Verschwörungstheorien in der LochBar. Die kommen doch auch immer gut, oder? Das Gerücht mit der WM außerhalb von Sheffield ab 2027 wäre mir jetzt zu einfach. Bei den ganzen aktuellen Aktionen kann ich dazu nur sagen: Ja, macht das bitte. Dann fällt der Abschied vom Snooker leichter. Bis dahin gibt’s dann auch die neue Website. Also teile ich mal folgende Überlegung mit euch: Vielleicht ist das einfach ein Naturgesetz, dass es im Snooker 10 Jahre gut und dann 10 Jahre schlecht läuft. Anders lässt sich dieses Indensandsetzen eines fantastischen Sports mit noch besseren Fans doch gar nicht erklären. Wir brauchen keinen neuen Barry Hearn, aber wir brauchen einen neuen Barry-Hearn-Moment. Lasst uns nicht 10 Jahre warten!
Dr. Kathi