Ich sitze im Presseraum im Tempodrom und weiß nicht, wie spät es ist. Es ist John-Higgins-führt-2:1 Uhr. Es dringt kaum Tageslicht in den Betonklotzraum, die Kekse wurden nicht nachgefüllt und der Kühlschrank brummt laut wie immer. Er brummt anerkennend, denn Judd Trump hat einen super Snooker gelegt. Ist das schön, wieder da zu sein! Judd Trump gegen John Higgins, welches Jahr haben wir nochmal? Das könnte doch auch 2012 sein. Und ist es wirklich schon 9 Jahre her, dass ich zum ersten Mal in diesem Presseraum eine LochBar geschrieben habe?
Das ist das Schöne beim Snooker, man verliert jedes Gefühl für Raum und Zeit. Wer sonst noch nicht genug Gründe hat, nach Berlin zu kommen, tut es fürs Anti Aging: Wir sehen doch alle noch so aus wie vor 10 Jahren. Selby sowieso, aber der sollte auch mal wieder so spielen. Aber auch wir Normalos dürfen uns im warm-schummrigen Tempodromlicht immer noch so fühlen wie im ersten Jahr. Und wir sind fast alle wieder da. Vor den Kulissen, hinter den Kulissen, bekannte Gesichter überall. Mehr Tage, mehr Tische, selbes zeitloses Snookergefühl. Selbe diebische Freude, wenn John Higgins das Double locht oder Judd die letzte Blaue – ja, ich stehe dazu – quer über den Tisch und zurück fluket. Da muss man nicht Snookertheorie studiert haben, da kann man sich ganz einfach amüsieren.
Zeitlos sind natürlich auch die Legenden, die sich um die Eigenheiten der Spieler ranken. Wird Kyren Wilson sein Nebentischviertelfinale aus Protest in Badehose bestreiten? Hat Neil Robertson den Weg zum neuen Berliner Flughafen gefunden? Wird Shaun Murphy nochmal auftauchen, um auf dem Minitisch im Foyer auch noch eine Exhibition gegen das Maskottchen spielen zu dürfen? Steckt er etwa gar im Kostüm des zweiten Maskottchens, das heute am Brandenburger Tor ein Fotoshooting hatte? Wurde Tom Ford in einem nebligen Waldstück bei Berlin beim Holzhacken gesichtet? Bei manchen Spielern hofft man eben einfach auch, dass sie nie erwachsen werden – wie Stephen Maguire, der nach seiner Niederlage im Tempodrom sein Queue samt Kiste verschenkt hat. Stellt euch mal vor, der würde den Murphy machen und sich nach der Niederlage feiern lassen, das wäre nur der halbe Spaß.
Doch zurück zum Geschehen bevor wir uns im Foyer verquatschen, was bei der großen Snookercommunity hier vor Ort schnell passieren kann: Es ja schon Judd-Trump-gewinnt-5:2 Uhr! 2012 hätten wir gesagt, dass es eine knappe Geschichte wird oder ein klarer Sieg für Higgins. 2024 wird es eine knappe Geschichte oder ein klarer Sieg für Judd Trump. Es ist eben doch ein bisschen Zeit vergangen.
Kathi